Was vereint die Brüder? Xi Jinping, Trump und Putin wollen heute mehr denn je die wirtschaftliche und militärische Stärke zur Geltung bringen. Grund sind gefühlte oder reale Demütigungen in der Vergangenheit. Sie diktieren Handlungen und Stimmungslage ihres Volkes und darüber hinaus. Und Europa? Aha – Europa! Fehlt da etwa eine kollektive Erfahrung, um Bedrohungen jeglicher Art gemeinsam entgegen zu wirken? Welchen Plan sollten wir haben?

Wenn es darum geht, Gegensätze zwischen Gesellschaften, Ländern und Kontinenten herauszuarbeiten, ist Geschichte eine wahre Fundgrube. Besonders wirkungsvoll sind dabei empfundene Defizite. Politische Akteure lassen sich diese Gelegenheit nicht entgehen, um solche Themen gezielt als mächtige Instrumente zur Beeinflussung der gesellschaftlichen Stimmung zu nutzen. Sie wissen: Erzählungen über empfundene Ungerechtigkeit sind Rennpferde – sie entfalten eine enorme Dynamik und haben das Potenzial, die öffentliche Meinung bis hin zum Hass zu führen.
Besonders effektiv sind Geschichten über historische Demütigungen. Sie werden zur Quelle gemeinsamer Emotionen, können sich bis hin zu einer nationalen Identifikation verdichten. Aggressive Gegenmaßnahmen werden zu politischen Programmen. Hier sind drei Beispiele:
China: Vom Trauma zur größten Macht des Planeten
Die in China als „Century of Humiliation“ bezeichnete Zeit der Erniedrigung ist zum Antrieb einer selbstbewussten Zukunft geworden. Seit der Gründung der Volksrepublik China 1949 hat die Kommunistische Partei alle Energien investiert, um wirtschaftlich, technologisch und militärisch zur Weltspitze aufzuschließen. Deng Xiaoping öffnete China für den internationalen Markt. Zum 100-jährigen Bestehen der Volksrepublik will Xi Jinping, der lebenslange Präsident, das Land mit seinen 1,4 Milliarden Menschen zur führenden Weltmacht entwickeln. Aus dem Jahrhundert der Erniedrigung ist ein kollektiver Wille entstanden, diesem Ziel zu dienen.
Russland: aus dem Zerfall der Sowjetunion erwächst Putins Machtanspruch
Wie konnte es dem russischen Volk geschehen, dass es 1945 noch als Sieger über Deutschland gefeiert wurde, aber wenige Jahrzehnte später den Zerfall der Sowjetunion erleben musste? Im kollektiven Bewusstsein des einst größten sozialistischen Staates ist die alte Stärke weiterhin lebendig. Putins nationaler Stolz fordert, dass Russland heute neben Amerika als gleichwertige Supermacht anerkannt wird. Dieses Ziel versucht er mit dem Ukraine-Krieg durchzusetzen – unter Missachtung internationaler Regeln und unter bewusster Konfrontation mit der liberalen Weltordnung.
USA: Aus Phantom-Schmerzen wird Trumps „Make America Great Again“
Donald Trump wird am 2. April 2025 den „Liberation Day“ als Tag der Befreiung ausrufen. Er sieht sein Land von Verpflichtungen erdrückt, aber ohne Gegenleistung. Schuld daran sind für ihn die Nachbarn im Norden und Süden, China und auch Europa – das seiner Meinung nach nur existiert, um Amerika auszubeuten. Diese vermeintliche Ungerechtigkeit treibt ihn zur Kompensation. Damit hat er seine Partei und die Wähler hinter sich gebracht und die Wahl 2025 grandios gewonnen. Es ist zu erwarten, dass – ungeachtet der Kosten – weitere „Wiedergutmachungsmaßnahmen“ folgen werden. Seine Eitelkeit ist gekränkt.
Europa: glücklich im kollektiven Bewusstsein geteilt
1. Die schöne, glückliche Welt:
Im kollektiven Bewusstsein der Europäer überwiegt ein positives Bild. Europa ist die Wiege der Demokratie, der Aufklärung, des Erfindungsreichtums und der Kultur. Die Bürger schätzen sich glücklich, in einer der friedlichsten Regionen der Welt zu leben. Sie profitieren von einem starken Wirtschaftsraum, sozialen Sicherungssystemen und hochwertiger Gesundheitsversorgung. Zwar gibt es von Nation zu Nation Unterschiede, aber viele betrachten den Verlust nationaler Souveränität als vertretbar.
2. Die andere Welt:
Das deutsche kollektive Bewusstsein bildet eine Ausnahme. Es ist geprägt von der Traumatisierung zweier verlorener Weltkriege und einem immer noch gespaltenen Land. Nationalstolz wurde verlernt, und Deutschland lässt sich nicht durch Erzählungen einer gedemütigten Nation mit Rachegelüsten instrumentalisieren. Vielmehr dominiert das Bewusstsein der historischen Schuld. Anders als viele Nationen, die sich als Opfer sehen, weiß Deutschland, dass es selbst Täter war. In diesem Sinne steht es als Außenseiter im kollektiven Bewusstsein Europas.
Welche Wege führen den Kontinent zusammen?
1. Der Druck von außen:
Europa sieht sich neuen Herausforderungen gegenüber: der russischen Aggression und einer zunehmend unzuverlässigen transatlantischen Partnerschaft. Was in den letzten zehn Jahren vernachlässigt wurde, muss dringend nachgeholt werden. Die Neue Zürcher Zeitung kommentierte am 1. April 2025:
„Um in einer Welt der Großmachtpolitik eine Stimme zu haben, müssen die liberalen Demokratien Europas ihre militärische Kraft stärken.“
Ein europäischer Sicherheitsrat soll die elementaren Strukturen der EU – Binnenmarkt, Schengen und NATO – zusammenhalten. Europa steht vor der Wahl: entweder Stellvertreterkonflikte auf dem eigenen Boden austragen oder sich trotz aller Gegensätze einigen. Der äußere Druck zwingt dazu, Europa als Schicksalsgemeinschaft zu begreifen.
2. Der Zusammenhalt von innen
Die mythologische und geschichtliche Verbundenheit im Inneren trägt den Namen Europa. Die Quelle ist die Europa-Hymne… „Freude, schöner Götterfunken“. Die Botschaft „Freude“ wird zum Träger des europäischen Kulturraums, ergänzt durch die Idee: „Alle Menschen werden Brüder.“
Von Lissabon bis Lettland sind wir im Geist der Freude verbunden. Diese Werte – Einheit, Menschlichkeit, Kreativität – ist der starke Motor für liberale Forschung, Kunst und Kultur. Als Bürger der EU sind wir Anteilseigner dieser Freude. Es ist eine positive Identität, die über rein wirtschaftliche Interessen hinausgeht.
Europa: Unsere Wirtschaft das kulturelles Erbe ist stark!
Mit so viel Kapital sind wir als Europäer gut aufgestellt für den globalen Wettbewerb. Wir können sogar gestärkt aus dem jetzigen Zoll Konflikt hervorgehen. wenn, so NZZ pro: Europas Länder zusammen stehen und gemeinsam die freiheitliche Wirtschafts schützen. Wie wird diese Gemeinschaft gestärkt?
„Brüssel muss Freude, Hoffnung und Zukunft in die kollektive Wahrnehmung einbetten. Dies ist der Markenkern, unseren liberalen, Ordnung Baustein, europäische Identität..“
Es ist ein völlig anderes Angebot als die Instrumentalisierung kollektiver Demütigung und Rache.
