Europa auf dem Weg aufs Abstellgleis: Während China mit der ”One Belt, One Road“-Initiative die Weichen für die Zukunft stellt, ist Europa auf dem Weg aufs Abstellgleis*1) Was hält die EU zurück, sich wie ein Kontinent darzustellen, um geopolitischer Spieler zu werden und Initiative zu ergreifen? Und wenn Initiative, mit welchen Strategien?

Große Mängel erkennbar
Der EU ist es bisher nicht gelungen, wirkmächtige innereuropäische und außereuropäische Strategien zu entwickeln. Europa ist Zuschauer geworden. Es reicht ein kurzer Blick auf aktuelle Ereignisse.
Erdogan will die Größe des Osmanischen Reiches und Putin die ruhmreiche Sowjet-Vergangenheit zurückgewinnen. Beide vergrößern z. Zt. ihre Einflusszonen im östlichen und südlichen Mittelmeerraum. Sie sind die „Schleusenwärter“ der Flüchtlinge auf dem Wege nach Europa, wie die FAS am 19.01.2020 feststellt. Der Iran hat dank der EU weder einen Freund noch einen Gegner.
China ist dabei, das Jahrhundert seiner Schmach zu überwinden. Das Land meldet sich mit nationalem Selbstbewusstsein zurück. Ziel ist es, seine traditionelle Macht als Reich der Mitte wiederzuerlangen*2). Zur Zeit ist China der größte Bauunternehmer der Welt*3) .
Was hat die EU entwickelt, um etwas dem wachsenden Einfluss anderer entgegenzusetzen? Auf welche Tradition kann Europa als Einheit zurückgreifen?
EU-Europa noch in der Tradition des 20. Jahrhunderts
Die beiden Weltkriege haben den Kontinent entscheidend geprägt. Während früher die Wiedergutmachung im Vordergrund stand, ist es heute, in Zeiten der EU, die Verteilung von Budgets und Flüchtlingen. Dazu kommen divergierende nationale Interessen und Aktivitäten regionaler Freiheitsseparatisten, wie z.B. in Katalonien. Die fehlende Faszination des gemeinsamen EU-Europas ermöglicht linken und national-rechten Orientierungen den Aufstieg. Sie können sich leicht als die bessere Alternative darstellen.
Umschalten auf das 21. Jahrhundert
Um sich von engen nationalen Zwängen zu befreien, hilft ein Blick von einem außereuropäischen Standpunkt. Das legt Defizite offen und zeigt die Notwendigkeit, sich in gemeinsamen Maßnahmen zu vereinen. Wir sollten endlich einen mutigen Schritt vom 20. in das 21. Jahrhundert vollziehen. Deshalb sind wir jetzt gefordert, mit realen Projekten die Lebensverhältnisse des 21. Jahrhunderts zu optimieren.
Reale Projekte in Schritten von Jahrzehnten
OK, Europa soll 2050 CO2-frei sein. Schon das ist ziemlich cool gedacht. Wie wäre es denn z.B., den ”EU-Green Deal“ mit einem Afrika-Projekt im Sinne von Win-Win zu verbinden. Das ermöglicht, z.B. Photovoltaik-Anlagen zu planen, zu bauen und zu betreiben, um Wasserstoff zu produzieren. Eine neue Autogeneration wird damit mobil gemacht. Das wäre ein Schritt in die ökologische Wende. Solche Herausforderungen lassen sich bewältigen, wenn gemeinsamer Wille da ist. Denken wir an J.F. Kennedys Plan, innerhalb eines Jahrzehnts auf dem Mond zu landen! Der Plan gelang.
Mut zu gemeinsamen Taten
Angesichts des heraufziehenden kontinentalen Wettbewerbes und der wachsenden Eigeninteressen einzelner Länder braucht es einen europäischen Relaunch: das gemeinsame Zusammenwirken. Wir müssen jetzt aufwachen, in den kontinentalen Wettbewerb einsteigen und dem 21. Jahrhundert ein junges europäisches Gesicht geben.
Ich schlage vor:
1. die Gründung eines jungen Think-Labs à la Davos zur Förderung von Projekten jenseits des Bestehenden: in Architektur, Wirtschaft, Wissenschaft, Medizin, Kultur, speziell Agrar, Logistik, IT, KI und autonomes Fahren sowieso.
2. ein innereuropäisches Projekt, z.B. ein Hochhaus-Typ in gleicher Höhe in allen Metropolen gebaut, wodurch das gemeinsame Europa symbolisiert wird. Die Symbolkraft könnte noch durch einen Laserstrahl, der auf die nächstgelegene Metropole ausgerichtet ist, zusätzlich verstärkt werden.
3. ein Projekt außerhalb der EU wie z.B. die gemeinsame Patenschaft für Afrika, siehe Road and Belt und Solar-Projekte zur Energiegewinnung,
Eine Dekade neuer Willensbildung ist gefordert!
Es muss die europäische Mut-Dekade ausgerufen werden. Mut heisst, eine neue Willensbildung zu begründen, um den Glauben an die Gestaltungskraft unserer Demokratie zu festigen.
Vergessen wir nicht: China hat die Demokratie als nicht erfolgreich abgeschrieben*1) …
*1) NZZ Beitrag: Die Neue Seidenstraße: Chinas Griff nach globaler Macht
*2) Eberhard Sandschneider Politologe Freie Universität Berlin, NZZ Standpunkte vom 14. August 2019
*3) Joe Ngai, McKinsey, Greater China