Deutsche Staatsräson ist es, auch den jungen Menschen die Grausamkeiten des NS Regimes zu thematisieren. Dabei geht es nicht um die Schuld früherer Generationen, sondern in Zukunft Nationalismus und Intoleranz abzuwehren. Kann ein Auschwitz-Besuch der Schüler das bewirken?

Zwei Anregungen:
– die Klassenräume gegen Räume der Erkenntnis zu tauschen: vor Ort.
– im Sprachgebrauch die Gegenüberstellung zwischen Opfern und uns zu vermeiden.
Ein Einzelschicksal kann das Entsetzliche begreifbar machen
Orte des NS Schreckens gibt es überall. Düsseldorfer Schüler brauchen nicht in die Ferne zu reisen. Beispiel Medienhafen. Dort gibt es eine Straße namens „Julo-Levin-Ufer“. Wer war der Julo und warum ist die Straße nach ihm benannt? Julo-Levin war jüdischer Künstler und gehörte zur ”Junge Rheinland Gruppe“. Nach 33 bekam er Arbeitsverbot und wurde in der jüdischen Volksschule Kunstlehrer, bis ihm auch dieses verboten wurde. Seine nächste Aufgabe war es, die von Auschwitz zurückkommenden Züge in Berlin zu reinigen. Mit der letzten Verbindung wurde er selbst dorthin deportiert und 1943 ermordet.
Julo-Levin’s kostbarstes Vermächtnis: Während seiner Lehrtätigkeit sammelte er die Zeichnungen seiner Schülerinnen und Schüler, die durch einen glücklichen Umstand mithilfe von Freunden erhalten geblieben sind. Diese Zeichnungen erlangten nach seinem Tode durch viele Ausstellungen Weltberühmtheit.
Wie soll die Lehrer-Generation heute dieses dunkle Kapitel begreifbar zu machen?
Zwei Gedanken:
- Klassenräume schließen – Erkenntnisse-Räume vor Ort öffnen. D.h. anschauliches Lernen vor Ort, wie z.B. bei Sprachen. Ein Sprach-Auslandsaufenthalt macht sofort Sinn, denn Anschauung und Praxis vor Ort entwickelt eine bedeutsames Lern-Ergebnis. Das Verweben mit eigener Anschauung gilt besonders für Auschwitz und alle anderen NS Konzentrationslager.
- Die Perspektive bei dem Sprechen verändern. Denn wenn wir von Auschwitz sprechen, meinen wir die Anderen, nämlich Juden, Sinti, Roma und Schwule. Die sprachliche Abgrenzung „Wir“ und die „Anderen“ sollte vermieden werden.
Absurdes wird offenbar
Bei dem Besuch der NS-Orte drängen Fragen zur Vergangenheit auf: Wie konnte sich die „arische Überlegenheit“ zur solcher politisch dämonischen Kraft entwickeln? Durch welche Inhalte mutieren Handlungen in solch verheerende inhumane Komplizenschaft? War die Urteilskraft des deutschen Volkes verloren gegangen?
In der NS Zeit ist es nur den Wenigsten ist es gelungen, sich die eigene Urteilskraft zu bewahren. Die allermeisten liefen mit, entweder tolerierend oder aktiv. Emmanuel Kant schrieb: Die Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines Anderen zu bedienen. Und er bedient sich des Mottos eines anderen Philosophen: „habe den Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen“. „Sapere Aude“.
Der Mut sich des eigenen Verstandes zu bedienen, wurde geopfert. Darum sind die Orte des NS Regimes heute der Beweis der kollektiven Unmündigkeit des NS Volkes. An Orten wie Auschwitz können Schüler die verheerende destruktive Brutalität des NS Regimes kennen lernen. Könnte das nicht schon eine Lehre für den Schulhof sein?
Die Umsetzung eines Schülerbesuches
Ich bin für einen obligatorischen Besuch der NS Konzentrationslager von Schülern. Es beginnt mit der Erkenntnis, in Zukunft von uns allen als „menschliche Individuen“ zu sprechen und nicht mehr von den „Anderen“. Die einfache Lehre hat Margot Friedländer, selbst Holocaust Überlebende, in einem sehr kurzen Satz formuliert. Ihre zentrale Botschaft: „Seid Menschen.“